Donnerstag, 6. November 2008

Es läuten alle Glocken ...

Es läuten alle Glocken,
sie läuten nah und fern.
Sie rufen uns zur Kirche.
Wir Kinder kommen gern.
Gott liebt die Kinder.
Er lädt uns alle ein.
Wir grüßen dich, Herr Jesus,
im Gotteshause hier.
Wir sind nun deine Gäste,
wir danken dir dafür.

Dieses Lied hat meine Tochter Clara im Kindergarten gelernt. Wohlgemerkt: Es ist ein öffentlicher, städtischer Kindergarten kein katholischer!

Beim ersten Elternabend haben die Kindergärtner/innen berichtet, dass zu ihren Aufgaben auch die religöse Erziehung zähle. Wir haben darauf hingewiesen, dass wir nicht wollen, dass unsere Tochter religiös indoktriniert wird. Das würden sie eh nicht machen. Sie würden sich lediglich mit dem Jahreskreis beschäftigen, war die Antwort.

Jahreskreis heißt: Erntedankgottesdienst, heiliger Martin, heiliger Nikolaus, Weihnachten ...

Unser Wunsch wurde und wird also ignoriert. Dabei ist den Kindergärtnerinnen kein Vorwurf zu machen: Katholische, "einheimische" Mädchen gehen in eine katholische Privatschule, entweder St. Josef in Feldkirch oder Zams bei Landeck - eine laizistische Alternative gibt es nicht! Dort werden sie zu katholischen Kindergärtnerinnen ausgebildet und werden dazu befähigt, in einem katholischen Kindergarten, "einheimische", katholische Kinder zu betreuen. Etwas anderes lernen sie nicht. Etwas anderes können sie nicht.

In Clara's Gruppe sind maximal die Hälfte der Kinder katholisch und ohne Migrationshintergrund. Dabei ist unser Kindergartensprengel eine "gutbürgerliche Wohngegend" mit niedrigem Migrant/innen-Anteil. In vielen Kindergärten im Rheintal sind katholische Kinder ohne Migrationshintergrund längst die Minderheit. Darauf sind und werden Kindergärtnerinnen aber nicht vorbereitet. Ein atheistisches blondes Kind wie Clara wird als katholisch eingestuft. Ein dunkelhätiges, muslimisches Kind ist halt eine Ausnahme von der Regel. Dass die Ausnahme längst die Regel ist, dass es nicht normal ist, katholisch und "einheimisch" zu sein, sondern dass es normal ist, dass wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, ist in das System Kindergarten noch nicht vorgedrungen.

Ich habe nichts dagegen, dass die Kinder im Kindergarten sich einmal eine Kirche anschauen. Dann hätte ich aber gerne, dass sie sich auch eine Moschee anschauen. Ich habe auch nichts dagegen, wenn der Nikolaus in den Kindergarten kommt, sofern die Kinder nicht gezwungen werden, Gebete auf zu sagen oder christliche Lieder zu singen. Dann hätte ich aber gerne, dass die Kinder auch etwas über den Fastenmonat Ramadan/Ramazan hören und dass sie danach zum Seker-Bayram Süßigkeiten bekommen.

Ich will nicht, dass meine Tochter das Bild vermittelt bekommt, wir würden in einer (fast) monokulturellen, katholischen Gesellschaft leben und dass das Christentum die Grundlage unseres Zusammenlebens ist. Ich will, dass sie etwas von der Vielfalt in unserm Land mitbekommt, dass sie diese Buntheit als Bereicherung erfährt und dass Interesse am Anderen, Respekt, gegenseitige Wertschätzung, die Gleichstellung von Mann und Frau bzw. Bub und Mädchen, die Religionsfreiheit, der Schutz von Leib und Leben etc. unsere Grundlagen sind.

Ich habe nichts dagegen, wenn Katholik/innen ihre Kinder katholisch erziehen. ich habe auch nichts dagegen, wenn sie sie in einen katholischen Privatkindergarten stecken. Ich will aber ein Alternative! Ich will einen öffentlichen, weltanschaulich neutralen Kindergarten, in dem Kindergärtnerinnen - und wenn möglich endlich auch einmal Kindergärtner - arbeiten, die in einer öffentlichen Schule ausgebildet wurden.

Ich denke, das ist nicht nur ein berechtigter Wunsch. Das steht mir als Vater auch zu. Immerhin sind primär wir Eltern für die Erziehung - insbesondere für die religiöse Orientierung - unserer Kinder zuständig. Meines Erachtens werden so, wie es im Moment läuft, meine Verfassungsrechte beschnitten. Ich werde das bei Gelegenheit mit einem/r befreundeten Juristen/in besprechen und dann weiter berichten.

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hanse (Gast) - 6. Nov, 20:07

Auch nicht so toll ist...

..., dass, sollte ein Kind den Religionsunterricht nicht besuchen, es fast nichts über Jesus, Moses und wie sie alle heißen erfährt. Leider ist dieses Wissen in unserer Gesellschaft durchaus wichtig, wer nicht weiß um was es bei Weihnachten oder Ostern geht steht schnell als Depp da. Ein neutraler Weltanschauungsuntericht würde ich durchaus für nützlich halten.

Das Österreichische Religionsgesetz verstößt sowieso gegen die Menschenrechte, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt hat: http://www.ag-athe.at/wordpress/2008/08/16/osterreich-diskriminiert/

Andreas Holzknecht (Gast) - 6. Nov, 23:05

Hallo Mario!
Ich kann Deine Gedanken sehr gut nachvollziehen und möchte diese von der fachlichen Seite her noch untermauern:

In einem öffentlichen (Bildungs-)Raum kann nicht die subjektive "ich habe gerade Lust-Meinung" den Ausschlag über pädagogische Angebote und Programme machen. Es liegt auch nicht nur an den sehr einseitigen Ausbildungsmöglichkeiten. Ich kann deshalb nur empfehlen, die beiden gesetzlichen Bestimmungen des Kindergartengesetzes in Vorarlberg (Bildungs- und Erziehungsplan) und die des Bayrischen Bildungsplanes in Punkto Religiöse Erziehung und Werteorientierung zu vergleichen:

In Vorarlberg heißt es: §1(4) Als interkulturell sensible Institution soll der Kindergarten im Hinblick auf eine grundlegende religiöse und ethische Bildung die Kinder zu einem achtsamen Umgang mit Lebewesen und Natur führen und befähigen, in Freiheits- und Friedensliebe anderen Kulturen und Menschen zu begegnen.

§ 3 Bildungsbereiche:
d) Religiöse Erziehung:
- Grundlagen der Religion
- Achtung vor Natur und Lebewesen
- Respekt gegenüber anderen Religionen

Den Bayrischen Bildungs- und Erziehungsplan kann ich nicht hineinkopieren. Der hat fast 500 Seiten. Ihr findet das besagte Kapitel von der Seite 173- 186. (hier 13 Zeilen - dort 13 Seiten) unter folgendem Link:
http://www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/bildungsplan_endfassung.pdf
Es gilt zu bedenken, dass Bayern ja kein wirklich extrem liberales Ausreißerland ist.....
Liebe Grüße, Andreas Holzknecht

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