Freitag, 1. Mai 2009

Viertelstundentakt

Wie das Bregenzer Blättle in seiner dieswöchigen Ausgabe richtig feststellte, ging es in der gestrigen Stadtvertretung darum, Altlasten aus der Zeit der ÖVP-Alleinregierung zu sanieren. Aber nicht nur. Es wurden auch drei wichtige und zukunftsweisende Projekte beschlossen. Insgesamt ein Haufen Geld an einem Abend, was die Opposition auch entsprechend kritisierte.

--> Bregenzer Blättle als PDF

Zunächst zu den Altlasten:

Der Geschäftsführer der Stadtmarketing-Gesellschaft hat letztes Jahr irgendwann während des James-Bond-Spektakels und während des ZDF-EU-Public-Viewing auf der Festspielbühne total den Überblick verloren und das Budget um fast 700.000,-- Euro überzogen (So der derzeitige Stand. Was genau los war, werden wir wissen, wenn der Bundesrechnungshof geprüft hat.) Er hat dann von sich aus gekündigt und bei der Übergabe zum Jahreswechsel gemeint, er habe eventuell um maximal 100.000,-- Euro über's Ziel hinaus geschossen.

Da hat also einer die Sache ziemlich verbockt.
Da hat aber auch ein ÖVP-System völlig versagt. Die ÖVP-Alleinregierung, Markus Linhart persönlich, haben das Tourismusamt und andere städtische Aufgaben in diese Ges. mbH. ausgegliedert. Wieder einmal nach dem Motto: "Da machen wir einen von uns zum Chef und dann wird schon nichts schief gehen." Kontrolle? Fehlanzeige.

Daher galt es gestern zum einen, dem Stadtmarketing das Überleben zu sichern, zum anderen aber, die Reform dieses schwindligen ÖVP-Systems voranzutreiben. Bei der Stadtmarketing, aber auch bei anderen ausgegliederten Gesellschaften und diversen (Vertrags-)Konstruktionen. Eine mühevolle Aufgabe, der wir uns seit 2005 widmen (Hafengarage, Blumeneggsaal, Handyparken, Spitalsfinanzierung, Theater ...) und die nun neue Chancen bekommt.

--> Meine Rede zum Stadtmarketing

Der zweite Punkt war noch weit unappetitlicher. Da ging es - auf den ersten Blick - darum, vier "Herren" aus dem ÖVP-Umfeld, die mitverantwortlich waren, dass der Fussballklub Schwarz-Weiß Bregenz in einem Fiasko endete, finanziell zu retten. So zumindest stellte es die SPÖ dar und so stellte sich die Situation zunächst auch für uns dar (s.a. SPÖ-Inserat im Blättle) Unsere erste Reaktion der ÖVP gegenüber war dann auch entsprechend: "Ihr glaubt doch wohl nicht im Traum daran, dass wir zustimmen, dass diese vier ... auch nur einen Euro von der Stadt bekommen."

Wir haben uns dann sehr intensiv und genau mit der Geschichte beschäftigt. Es stellte sich heraus, dass die vier "Herren" zwar im Alltag nicht den Eindruck erwecken, verarmt zu sein, dass es ihnen aber offensichtlich gelungen war, ihr Vermögen so zu versorgen, dass es keinen Zugriff darauf gibt. Vizebürgermeister Gernot Kiermayr hat es ungefähr so ausgedrückt: "Wer reich ist, hat leicht die Möglichkeit, nach zu weisen, dass er nichts hat. Wer tatsächlich arm ist, tut sich da oft viel schwerer."

Das heißt, bei diesen vier Herren ist nichts zu holen. Pech für die Sparkasse, könnte mensch meinen. Blöderweise - und das verschweigt die SPÖ in ihrem Inserat - hat die Stadt aber vor vielen Jahren eine Bürgschaft "in zweiter Hand" für den Kredit übernommen. Einstimmig beschlossen in der Stadtvertretung, also mit den Stimmen der SPÖ und leider auch der Grünen.

Es gäbe noch viele Details dazu, eines ärgerlicher als das andere. Die entscheidende Frage lautete letztlich: Stimmt die Stadt einem Vergleich zu, der ihr 280.000,-- Euro kostet oder lässt sie das ganze Rechtsverfahren bis zum bitteren Ende durchführen und zahlt dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwa 550.000,-- Euro.

Wir haben im Vorfeld noch erreicht, dass die vier "Herren" eine eidesstattliche Erklärung über ihre "Armut" abgeben. Sollte ihnen nach zu weisen sein, dass diese nicht der Wahrheit entspricht, hat die Stadt nicht nur eine Regressmöglichkeit, sondern das hätte für die "Herren" auch strafrechtliche Konsequenzen.

Erfreulicher waren dann aber drei weitere Projekte:
  • Ein neues Klubheim für den SC Rivella, ein Fussballverein, der sich sehr um Jugend- und Integrationsarbeit bemüht.
  • Ein Stadtteilpark Mariahilf
  • und - das Erfreulichste - eine neue zusätzliche fünfte Stadtbuslinie, die auf den zentralen Strecken des Stadtbusnetzes durch Überlagerung einen Viertelstundentakt ermöglicht. Gleichzeitig gab es auch die Willensbekundung, vorzubereiten, dass der Stadtbus ab Dezember am Abend zwei Stunden länger fährt. Es ist uns damit also wieder ein wesentlicher Fortschritt in der Mobilitätspolitik gelungen.

Stadtmarketing: sichern - prüfen - verbessern

In der gestrigen Stadtvertretungssitzung habe ich zum Thema Stadtmarketing folgende Rede gehalten:

"Hohe Stadtvertretung!

Es gibt heute zumindest zwei Projekte, über deren Beschlussfassung wir uns heute alle miteinander freuen können:
  • Das ist der Quartierpark Mariahilf und
  • das ist der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs. Stichwort Stadtbuslinie 5. Stichwort Viertelstundentakt. Beides Projekte, die in die Zukunft weisen.
Und es gäbe noch viel mehr solcher Projekte, die wir heute beschließen könnten und die wir in den letzten Jahren beschließen hätten können, die Bregenz schöner und lebenswerter machen und die ebenfalls in die Zukunft weisen, wenn nicht unsere Innovationskraft immer und immer wieder gebremst würde: Durch Mühlsteine, die uns aus der Vergangenheit um den Hals gelegt werden.

Bei der Spitalsfinanzierung, beim Blumeneggsaal, bei der Hafengarage, beim Handy-Parken, beim Theater ...

Immer und immer wieder mussten wir feststellen, dass in der Vergangenheit Projekte zum Nachteil von Bregenz völlig falsch aufgegleist wurden, dass Verträge zu Ungusten von Bregenz abgeschlossen wurden. Und anstatt uns voll und ganz der Erneuerung dieser Stadt widmen zu können, anstatt Bregenz im gewünschten und notwendigen Ausmaß zukunftsfitt zu machen, - Energiewende, Mobilität, Integration, Gendergerechtigkeit, Jugendpolitik, Sozialpolitik - müssen wir uns, kaum ist das eine halbwegs erledigt, um die nächste Baustelle kümmern.

So ist es beim nächsten Tagesordnungspunkt, der noch viel ärgerlicher ist, als dieser. [Anm: Schwarz-Weiß Bregenz]

So ist es auch in diesem Fall, bei den ungedeckten Verlusten der Stadtmarketing:

Wir sind keine Partei, die reflexartig jede Ausgliederung und jede Privatisierung ablehnt, aber wir schauen uns die Rahmenbedingungen, unter denen das stattfinden soll, genau an. Und schon vor ca. 10 Jahren, bei der Ausgliederung des Stadtmarketing haben wir befunden, dass das keine optimale Konstruktion ist und daher diesen Beschluss nicht mitgetragen.

Natürlich geht es hier um das Schuldhafte Verhalten eines Einzelnen. Es geht aber auch um ein System, dass es möglich gemacht hat, dass einer allein über so lange Zeit so viele Fehler machen konnte. Und da muss es Konsequenzen geben.

Drei Dinge haben zu geschehen:

sichern – prüfen – verbessern.

Was heißt das:

1. Sichern: Es geht nicht, dass die Stadt oder eine städtische Einrichtung nicht mehr in der Lage ist, Rechnungen zu bezahlen.
Es geht nicht, dass ein städtischer Betrieb in die Insolvenz gefallen lassen wird.
Es geht nicht, dass wir den Gläubigern sagen, ihr müsst halt schauen, wo ihr bleibt.
Unsere Partnerinnen und Partner müssen sich weiterhin auf uns verlassen können. Daher werden wir die Stadtmarketing heute mit 400.000,-- Euro so weit unterstützen, dass ihr Bestand für die nächste Zeit gesichert ist.

2. Prüfen: Wir haben sogleich, nach bekannt werden der Probleme, dafür gesorgt, dass eine Prüfung durch den Rechnungshof eingeleitet wird. Einstimmig beschlossen. Die wird kommen und die wird schonungslos feststellen, was da gelaufen ist, warum es soweit kommen konnte und wer dafür die Verantwortung trägt.

3. Verbessern: Daraus wird es dann Konsequenzen geben. Möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen. Sicherlich muss es aber für die Stadtmarketing, für die Stadt und auch für alle anderen ausgegliederten, städtischen Einrichtungen Konsequenzen geben. Wir sind davon überzeugt, dass der Rechnungshof dafür auch sinnvolle Anregungen geben wird.
  • Beispielsweise ist vorstellbar, dass auch in kleinen Gesellschaften wie der Stadtmarketing, so wie in großen, etwa den Stadtwerken, vierteljährliche und nicht nur jährliche Berichte vorzulegen sind.
  • Beispielsweise ist vorstellbar, dass die Verträge zukünftig so gestaltet werden, dass es die Möglichkeit der Prüfung durch den städtischen Prüfungsausschuss gibt.
  • Beispielsweise ist vorstellbar, dass es immer und überall eine Vieraugenprinzip gibt. Das wird dem Vernehmen nach im Stadtmarketing nun bereits eingeführt.
All das muss geprüft und was sich als sinnvoll erweist, muss dann auch umgesetzt werden, in der Stadtmarketing und anderswo. Wir können ja nicht einfach warten, bis wir das nächste Problem haben.

Heute aber geht es zunächst einmal um eine Feuerwehraktion.

D.h. zusammengefasst:

Heute sichern wir das Überleben des Stadtmarketings. Damit ist es aber beileibe nicht getan. Und dafür sind wir Grünen der Garantieschein.

Das zweite ist die lückenlose Prüfung und Aufklärung durch den Rechnungshof und

das dritte sind dann Konsequenzen und Reformen für das Stadtmarketing und für alle anderen ausgegliederten städtischen Gesellschaften und Betriebe."

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